Kreative Musse – Fotografie und plastisches Gestalten

 

Hansruedi Dietiker, Koleiter Fotoworkshop Mals

9.5.2020 Salouf - Mon: Son Cosmas und Damian

Für den Samstag hatte ich mir eine längere Wanderung von Salouf über Del nach Mon und Tiefencastel vorgenommen, um von dort mit dem Postbus wieder zurück nach Salouf zu gelangen. Zwischen Del und Mon liegt ein Stück der ehemaligen Julier-Passstrasse und quer dazu führt ein lieblicher, wenn auch steiler Wanderweg, durch die wilde Berglandschaft. Das tiefsinnige Gedicht auf einer Schrifttafel am Wegrand stammt vom Saloufer Pater und Lokalpoeten Alexander Lozza.

In Mon gibt es zwei Kirchen: die Franziskuskirche „Son Francestg“, von Kapuzinern Mitte des 17. Jahrhunderts erbaut, sowie die frühromanische Kirche St. Cosmas und Damian «Son Cosmas e Dungiang». Auf diesen über tausend Jahre alten Sakralbau hatte ich es fotografisch abgesehen. Ein Bauer am Dorfrand verriet mir, wo ich den Schlüssel abholen könne. Die Kirche, idyllisch etwas unterhalb des Dorfes gelegen, war rasch gefunden, der moderne

Kaba-Schlüssel passte – aber es gelang mir leider nicht, den alten, massiven Eisenriegel zurückzuschieben. Da ich keine Gewalt anwenden wollte, riskierte ich lediglich einen Blick durchs Schlüsselloch und machte vor verschlossener Tür meine kurze Mittagsrast.

Nach Rückgabe des Schlüssels ging es auf dem breiten, gut markierten Wanderweg nochmals an der Kirche vorbei in Richtung Tal. Dabei übersah ich den unscheinbaren Wegweiser unmittelbar vor der Kirche, der nach links in einen kleinen Saumpfad wies…

Auf dem breiten Landwirtschaftsweg kam ich indes zügig voran. Nach zwanzig Minuten verlor dieser sich jedoch in einem Feld, und als ich hinter einer zerfallenen Scheune die Fortsetzung suchte, geriet ich in einer brisanten Mischung aus blinder Sturheit und fotografischer Neugier tief in einen steil abfallenden Wald. Mit dem Mobilfunk-Signal kam auch die späte Erkenntnis, dass das Gehölz auf der Karte zum Ufer-Urwald der felsigen Julia-Schlucht gehörte. Meine tapferen Versuche, der Höhenlinie entlang weiter zu kraxeln, scheiterten immer wieder kläglich an Sümpfen, Bachbetten, umgestürzten Baumriesen und senkrecht abfallenden Felswänden. Es blieb mir schliesslich nichts anderes übrig, als rechtzeitig vor der Abenddämmerung auf Wildwechseln den inzwischen weiten, steilen und hindernisreichen Rückweg nach Mon anzutreten. Bei der Kirche verrieten mir Cosmas und Damian über meinen Online-Fahrplan, dass in knapp dreissig Minuten das einzige Abend-Postauto auf dieser Strecke zurück nach Salouf fahren würde…

Fotografisch war der selbst verschuldete Umweg ein Erfolg – die Bilder sprechen für sich. Körperlich überschritt ich auf dem dreistündigen Irrweg deutlich die Grenze dessen, was ich freiwillig auf mich nehmen würde. Davon zeugen auch die 17’350 Schritte auf rund 10 km Wegstrecke und die 14 Stockwerke, die meine Gesundheits-App registriert hatte. Allerdings bin ich auch etwas stolz auf die Leistung meiner alten Gebeine und vor allem der an sich sehr defekten Pumpe, die auf der ganzen Wanderung nie ins Stocken geriet. Knochen und Muskeln jedoch mussten nach geglückter Heimkehr in der Badewanne neu sortiert werden…

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